MikO MikO

by Michael Ochmann

Servus, Oma

by Michael Ochmann am 12. Mai 2016

Meine Oma war die frommste Frau die ich kenne. Wenn sie sich nicht um die Familie gekümmert oder gekocht hat, dann hat sie gebetet. In jeder freien Minute. Wenn ihr das keinen Platz im Himmel eingebracht hat, dann sind wir wohl alle dazu verdammt in der Hölle zu schmoren.

Am 11. Mai 2016 hat sie es endlich geschafft. Sie ist ihrem Schöpfer in den Himmel gefolgt, ganz friedlich, im stolzen Alter von 93 Jahren. Die 94 hat sie nicht mehr geschafft, dazu hätte sie noch zwei Monate bei uns bleiben müssen. Aber wie alle Frauen in ihrer Familie musste sie natürlich standesgemäß im Mai gehen, das war klar. Die letzten 20 Jahre hatte sie in jedem Mai furchtbare Angst zu sterben, eben weil alle im Mai gegangen sind. In diesem Jahr war sie nach langer Krankheit denke ich dankbar gehen zu dürfen. Das passt ja auch, denn der Mai ist bei den Katholiken der “Marienmonat”, meine Oma hieß Maria. Maria Hedwig Kranz. Das war ihr Name.

1922 geboren, hatte sie wahrscheinlich nicht das schönste Leben. Die Nachwehen des ersten Weltkrieges, in dem ihr Vater gekämpft hatte, just hinein in den zweiten Weltkrieg, den Wiederaufbau, ja, sogar vor Helmut Kohl und Angela Merkel blieb sie nicht verschont. Dennoch, und das sage ich voller Hochachtung, hat sie in ihrem Leben wohl mehr erreicht, als mir oder euch das vergönnt sein wird.

Sie war mit Opa verheiratet, bis dass der Tod sie schied, hat zwei Kinder großgezogen und ein Haus gebaut. In ihrem ganzen Leben musste sie sich nie Geld leihen, sie hat alles bar bezahlt, so hart haben Oma und Opa gearbeitet. Opa ist schon 1994 gegangen, kurz bevor meine Schwester geboren wurde. Er hat jetzt 22 Jahre auf sie gewartet, ich bin mir sicher, beide sind froh einander wieder zu haben.

Oma hat sich immer eine Hollywoodschaukel im Garten gewünscht, doch nie eine gekauft. Ich weiß nicht warum. Aber wenn ich zum Himmel sehe, und mich ganz doll anstrenge, dann kann ich Oma und Opa Arm in Arm auf einer solchen Schaukel sitzen sehen. Sie hat selbstverständlich eine Kittelschürze an, hellblau, mit kleinen weißen Blüten drauf. Und Opa? Ganz klar, wie eh und je mit Batschkapp und Sonnenbrille. Und wenn ihnen mal langweilig wird, dann steigen sie in einen weißen BMW und schauen sich alles an, was es dort oben zu sehen gibt.

Ich bin Oma sehr dankbar für all die Zeit, die sie für mich geopfert hat. Für das viele sehr sehr leckere Essen. Für die Geschichtsstunden, das gemeinsame Rosenkranz beten, die Arbeit im Garten und den Französischunterricht. Ich weiß nicht ob andere so viel Zeit mit ihrer Oma verbringen, ich für meinen Teil hab jede Minuten davon genossen.

Also sag ich zum Abschied leise: “Servus, Oma!”

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